Mittwoch, Januar 17, 2007

Der Strichüberarbeiter

Was macht eigentlich ein Line Editor so den ganzen Tag? Das werde ich so gut wie nie gefragt, und möchte es deshalb hier an dieser Stelle mal beantworten.

Erstens hat man einen schmissigen Titel. In dem schönen Comic "Calvin&Cobbes" haben Calvin und sein Freund, der Stofftiger Hobbes, den G.R.O.S.S. - Club (kurz für: "Get Rid Of Slimy girlS"). Die vornehmste Aufgabe des Clubs ist es, Treffen in Calvins Baumhaus abzuhalten, und den beiden einzigen Mitgliedern neue pompöse Titel zu verleihen, die mit immer neuen Hüten aus Zeitungspapier bekräftigt werden müssen. Gut getroffen ist das. Wo immer sich ein paar Jungs zusammensetzen, um gemeinsam Unternehmen zu spielen, werden erstmal tolle Titel rausgehauen. Bei Vortex ist immerhin nicht jeder so sprachlich bekränzt wie in manchen US - Firmen, wo noch der Türstopper "Secon Assistant Doorholding Executive" ist, aber irgendwie ist doch jeder ein toller Aushilfsnasenbär und Übervogel.

Line Editor wird man ganz leicht. Tim Struck ruft dich an und sagt: Du bist jetzt Line Editor. Herzlichen Glückwunsch. Du machst das schon.

Ja, und was man dann macht? Erstmal alles falsch. Man kann zum Beispiel mal drei Mails mit dem Grafiker hin- und hergehen lassen, bis man merkt, dass man über völlig unterschiedliche Logoentwürfe spricht. Wenn das zu langweilig wird, ist man zu blöd für ftp - Programme, und wenn dann die kluge Kathy in der Leitung ist, geht plötzlich alles, obwohl man alles gemacht hat, wie vorher auch. Als Line Editor bekommt man plötzlich so ein tiefes Gefühl der Demut.

Man hat nichts, aber alle wollen was: Bücher, Texte, Grafiken. Aber als Line Editor sagst du natürlich nicht: Menno, wo soll ich denn das jetzt hernehmen. Sondern du sagst was staatstragendes und beruhigendes. Dir wächst ein Bart, und du sprichst plötzlich mit schwäbischem Akzent. "Wir haben hier heute ein, äh, gutes, ein, äh, sehr gutes, äh, Ergebnis, das auch künftige Generationen, auch wenn wir das heute noch nicht mit Bestimmtheit, bin ich zuversichtlich dass, für Frieden und Freiheit im Sinne der Familie. Die Renten sind sicher."

Und wenn die Nationalmannschaft 80 Millionen Trainer hat, dann hat UA grob geschätzt 250 Line Editors. Eigentlich braucht es mich gar nicht, anscheinend wissen sowieso alle, wie es weitergehen müsste, wenn bloss das Geld nicht wäre, die Deadlines, der Vertrieb, der Markt, die Rollenspieler und die Realität. Wobei ich - mal im Ernst - über viele Begrüssungen und Hilfsangebote aufrichtig dankbar war. Dass wir dank einiger fleissiger Fans schon einen dicken Downlaod anbieten konnten (und bald schon der nächste ins Haus steht), das war mal ein Höhepunkt meiner ersten Arbeitswochen.

Line Editors sind also eine Mischung aus Flohzirkusdirektor, Kinderpsychologe, Spambot, Phrasendreschmaschine und ganz zum Schluss irgendwann auch Kreativvogel. Aber ab und an kriegen sie auch was sinnvolles hin. Mit dem Art Director (bzw. Senior Design Executive Dictator In Chief For Lifetime, aber seine Freunde dürfen "Art Director" zu ihm sagen) zusammen dafür sorgen, dass man bei einem Abenteuer in den kommenden "Schnellschüssen" endlich mal versteht, wie dieses Flugzeug eigentlich aussieht, und wo die Bösen so langlaufen. Manchmal sorgt man dafür, dass die Bücher ein bisschen besser werden und die Spieler und Spielerinnen am Ende mehr Spass damit haben. Und dann ist das ein echt cooler Job.

2 Comments:

Blogger Tom said...

Hi Jasper,
natürlich wissen wir Fans, mich an vorderster Front immer alles besser. Das ist bekanntlich nix neues. Aber schön zu sehen das es langsam was wird mit UA. Gerade die Idee mit dem Blog und ein bischen aus dem Nähkästchen plaudern find ich hervorragend. Also dran bleiben, dann sind es vielleicht bald nur noch geschätzte 249 Line Developer.

9:01 PM  
Blogger Tom said...

Tja und eigenlich meinte ich Line Editor. Tja so kommts...

9:02 PM  

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