Montag, Mai 07, 2007

Fehler is king

Schon vor längerer Zeit hatte ich angekündigt, mal zu einen Erklärungsversuch zu liefern, warum bei Kleinklitschen wie Vortex (und also vermutlich in weit über 90% des deutschen Rollenspielbetriebes) eigentlich so viele vermeidbare Fehler auftauchen. Na gut, den Zusatz in Klammern streiche ich wieder, bevor jetzt alle schreien: "Sprich mal lieber nur für dich!". Also dann, nur für Vortex im Folgenden.

Warum schaffen wir es nicht, wirklich alle Druckfehler auszumerzen - bis auf die ein oder zwei, die sich in jedem Buch finden? Warum verschieben sich Produkte immer wieder? Warum kommen so viele Ideen über den Status des "man könnte doch, man müsste mal" nicht hinaus? Warum werden oft auch relativ bescheidene Marketingideen nicht oder unvollständig oder zu spät umgesetzt? Warum stehen an unseren Messetischchen keine Trupps aus lecker anzuschauenden Damen und Herren mit Zahnpastalächeln und Dauerfreundlichkeitsgen, sondern bloß ich und Tim und die Forumshäschen?

"Klar dass ihr mit Riesen-Verlagskonzernen nicht mithalten könnt. Aber dies müsste doch gehen...oder das...muss man doch nur wollen, kostet doch nichts und bringt superviel." Hör ich tatsächlich oft.

Keine Angst, ich will nicht die böswillig-naiven Fans bashen, die uns armen Rollenspielheinis das Leben so schwer machen. Die Fragen sind ja nachvollziehbar und die sanften Vorwürfe klingen erstmal auch plausibel. Man muss es halt nur mal gemacht haben, dann sieht die Welt anders aus.

Kurz gesagt, alles ist, wie es ist, weil Typen wie ich Projekte wie UA leiten. Und dabei mit Leuten zusammen arbeiten, die genau so sind, wie ich.

Lang gesagt: Die Menschen, die im Rollenspielbereich arbeiten (man traut sich ja kaum von "Geschäft" zu sprechen, "Arbeit" klingt schon hoch gegriffen), sind weder dumm noch unfähig. In der Mehrzahl sind sie motiviert und engagiert. Viele, wenn nicht die meisten, haben sogar Fachkompetenz - als Designer, als Schreiber, als Marketing-er, Illustrator, Medienmacher und was nicht noch. Ich kann ganz gut schreiben und redaktionieren, habe da Erfahrung und die Textarbeit auch gelernt. Tim ist berufsmäßig sehr erfolgreich im Marketing und Beratungsgeschäft unterwegs. Dirk verdient sich seine Brötchen als Gestalter. Mit dem großen Kreis der Freien bei UA sieht es ähnlich aus.

Aber es fehlen professionelle Strukturen, die diese vorhandene Kompetenz auch tragen und Entfaltungsmöglichkeiten bieten.

1. Wir sind alle Nebenberufler und UA muss neben dem echten Berufsleben sehen, wo es bleibt. Und Vortex bemüht sich zumindest schon, Arbeit auch zu entlohnen, da gibt es ganz andere Arbeitsverhältnisse.


2. Dem Umfeld geht es im Großen und Ganzen genau so, egal ob Produzenten oder Mulitplikatoren.

Das bedeutet nicht nur, wie vielfach beklagt, dass einfach zu wenig Geld da ist. Es bedeutet vor allem, dass -zwangsläufig, ohne bösen Willen von irgend jemandem- zu wenig Verlässlichkeit da ist. Auf freiwilliger Arbeit kann man nicht so bestehen, wie auf bezahlter. Engagement und Motivation kann man nur begrenzt beeinflussen. Deadlines sollten passender "Guidelines" heißen. Ich werde den Teufel tun und mich allzu laut beschweren - ohne meine Umgebung, die UA mit produziert, bekannt macht und kauft, könnte ich nämlich ganz einpacken. Aber die Feststellung ist erlaubt, denke ich.

Aber wo die Verhältnisse so sind, kann sich nicht bilden, was im professionellen Medienbetrieb selbstverständlich ist (oder sein sollte) - Hierarchien, Verbindlichkeit, funktionierende Kommunikation und Geld als Puffer gegen persönliche Empfindlichkeiten.

Die letzten beiden Punkte sind meiner Einschätzung nach besonders wichtig. Wo für richtiges Geld gearbeitet wird, nimmt auch mal die Kohle und macht, was einem gesagt wird, zum vereinbarten Zeitpunkt. Das ist nicht nur negativ. Wo, wie im Rollenspielbereich, mit Anerkennung und persönlicher Sympathie gezahlt wird, ist der Tausch "Arbeit gegen Gegenleistung" undurchsichtiger, fragiler, zeitaufwendiger und nervlich anstrengender. Eine Überweisung ist einfacher als Gespräche, Mails, Telefonate, Einladungen zum Bier und Gratwanderungen a la "Tolle Idee, aber warum machst du das nicht eventuell bitte so, wie wir uns das gedacht hatten...nein? nicht?...vielleicht wenigstens eher so....?". Geld ist fassbar - in wie weit Egos gepflegt werden müssen und bis zu welchem Grad man seine Produkte zugunsten der Zufriedenheit Einzelner verbiegt dann schon weniger. Die UA-AutorInnen sind zum Glück freundlich und pflegeleicht, aber selbst mit denen wird für mich deutlich sichtbar, was das für ein Problem für die "Branche" ist.

Mit funktionierender Kommunikation meine ich, dass es eine Kunst für sich ist, Kontakte zu knüpfen, zu halten und zu verwerten. Nicht umsonst werden bei richtigen Firmen Mitarbeiter nur dafür abgestellt. Oder auch mal ganze Abteilungen. Und diese Kontakte sind verlässlich da - Rollenspielfanzines gehen ja gern mal ein oder erscheinen nur, wenn gerade Zeit ist (wie Rollenspiele überhaupt ja auch). Innerhalb der Verlage muss das auch erstmal funktionieren. Weil ein Büro natürlich nicht zu bezahlen ist, sitzt man über ganz Deutschland verteilt und mailt und telefoniert und sieht nie, was der andere auf dem Bildschirm hat oder dass der gestern Nacht zuviel gesoffen hat und deshalb so schlecht gelaunt ist.

Diese beiden letzten Faktoren - Persönlichkeit und Kommunikation - sorgen alleine schon für die meisten dummen Fehler, bei denen sich hinterher jeder fragt, warum das wieder keiner gesehen hat. Weil man mit X über vier Fassungen eines Textes gefeilscht hat (der darf nicht abspringen, sonst bleiben die Seiten leer), und dann doch die 3. und nicht die 4. beim Layouter gelandet ist, dem man das nicht mehr rechtzeitg sagen kann, weil dessen Computer kaputt ist und die Katze Grippe hat. Weil die Promoidee X nicht anläuft, nachdem der Freund von Y bei Magazin Z nicht mehr dabei ist und das sowieso erst nächstes Jahr wieder erscheint und überhaupt kann unsere Gewinnaktion nicht online gehen, weil die Freundin vom Arbeitskollegen das falsch verstanden hatte mit dem Termin für die Seitenrenovierung.

Ein Rollenspiel professionell aufzuziehen gleicht dem Versuch, aus Papier und Draht ein Haus zu bauen. Man muss immer hoffen, dass der Wind es nicht wegweht und kein Regen kommt.

Natürlich hat das von Fans getragene Chaos auch Vorteile. Neben viel liebenswertem Einsatz und generller Freundlichkeit findet man immer wieder auch Begeisterung, Ideen und Selbstlosigkeit, die man für Geld nicht kaufen kann. Nur die Druckfehler und die Termine, die wären anders sicher besser zu halten bzw. auszumerzen.


Wie man leicht sehen kann, beißt sich die Katze in den Schwanz. Kein Geld heißt keine Strukturen heißt weniger Erfokg heißt kein Geld... und so weiter. Und weil das auch von außen sichtbar ist, wird auch niemand investieren. Es sei denn natürlich, man schnappt sich die innovativen Ideen aus diesem verrückten, chaotischen und eigentlich völlig unmöglichen Mini-mini-Markt und setzt sie mit großem Geldeinsatz und vernünftigen Strukturen um - als Magic , als WoW.

Hier unten bei uns aber wird sich nichts ändern. Wir werden weiterhin Produkte machen, die es eigentlich gar nicht geben dürfte, wenn alles mit rechten Dingen zuginge. Wir sind die mit Orkmasken versehenen Cousins und Cousinen der Taubenzüchter und Modelleisenbahner. Wenn wir es uns nicht machen, macht es auch sonst keiner. Heisst: Eigentlich sollte man dem Forge-Modell folgen und kleine Spiele mit geringer Einstiegsschwelle machen, die man als Autorin selbst übers Netz vertreibt. Weg mit dem Versuch, Verlagsstrukturen und Vertriebe aufzubauen, die nur Zeit und Nerven kosten und vom Spielen ablenken. Und so wird es auch kommen. Geht kein Weg dran vorbei. Ein, zwei Große, die Rollenspiele oder Rollenspielähnliches für den Massenmarkt machen (können). Und ein aktives Netzwerk aus Enthusiasten, die per Internet ihre eigenen Ideen unter die Leute bringen.

Aber. Aber. Vielleicht gibt es Platz für Kleinstverlage, die zwei Vorteile gegenüber den Netzpublishern haben. Sie können mit dem ästhetischen Wert echter, schön gestalteter Bücher werben. Sie können Spielmaterial bringen, das auch haptisch und optisch überzeugt. Illus, Karten, Figuren. Und sie können, wenn sie durchhalten, die Kunden zusammenführen und neben dem Spielmaterial auch Support, Treffen, Community bieten. Wie gesagt, vielleicht.

Disclaimer zum Schluss: Alles, was ich hier überlegt habe, wird natürlcih bei Vortex noch zusätzlich durch persönliche Zugaben verstärkt. Ich will die Verantwortung nicht auf die bösen Umstände abwälzen - meine Fehler sind natürlich meine Fehler, und ich könnte bestimmt an Organisation und Durchführung so einiges verbessern, keine Frage. Aber so als Einblick in strukturelle Probleme doch ganz brauchbar, oder?

4 Comments:

Anonymous Anonym said...

Verdammt gut geschrieben. Ich hatte und habe ja das Vergnügen Einblick in so manchen Rollenspielverlag zu haben und wenn Du nicht zu den ganz großen gehörst ist es wie bei Vortex. Aber mit Charme lässt sich das meiste wieder ausbügeln und der ist reichlich vorhanden.

2:53 PM  
Anonymous Anonym said...

So und nicht anders ist es. Klasse geschrieben, ich wüsste nichts was ich dem hinzufügen könnte. ich kenn das Agenturleben, gut es unterscheidet sich ein wenig vom Verlagsleben, dafür wiederum kenn ich das Fanworklager recht gut. Ich finde vieles bekanntes in deinem Text.

5:20 PM  
Anonymous Anonym said...

sehr schöner kommentar zu einem altbekannten thema. longtail meets nerdcore und eigentlich ginge da auch mehr. dankeschön.

5:36 PM  
Anonymous Anonym said...

Schön geschrieben, wenngleich ich die Meinung nicht in gar allen Punkten teile. Die Zeit wird zeigen, was uns die Postmoderne bringt...

10:28 PM  

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